Aktuelles zu Verpackung und Nachhaltigkeit

Die Belastung von Wirtschaft und Haushalten durch die Litteringabgabe muss begrenzt werden

Position zum Entwurf eines Kostenmodells zur Umsetzung der europäischen Einwegkunststoffrichtlinie

Die europäische Einwegkunststoffrichtlinie legt eine Ausweitung der Herstellerverantwortung für bestimmte Verpackungen und Produkte fest. Vorgesehen ist eine Kostenbeteiligungspflicht der Hersteller, sowohl für die Reinigung des öffentlichen Raums als auch für die Entsorgung der Produkte
in der öffentlichen Abfallsammlung. Zur Umsetzung in deutsches Recht hat das Bundesumweltministerium (BMUV) einen Entwurf für ein Einwegkunststofffondsgesetz (EWKFondsG) vorgelegt, das sich zurzeit im parlamentarischen Verfahren befindet. Nach Maßgabe dieses Entwurfs
sollen die Hersteller der in der Richtlinie benannten Produkte kostendeckende Beiträge in einen Fonds einzahlen. Die mit der Reinigung beauftragten kommunalen Unternehmen sollen Auszahlungen aus
dem Fonds erhalten. Eine Ein- und Auszahlungssystematik, erarbeitet im Rahmen eines UBAForschungsverfahrens, wurde nun im Entwurf einer Rechtsverordnung (EWKFondsV) veröffentlicht. Diese beziffert das Fondsvolumen auf 434 Mio. €.

Vor dem Hintergrund der drohenden Belastung von Wirtschaft und Haushalten fordert die AGVU eine
Befassung des Bundestags mit dem Verordnungsentwurf; ein „Durchregieren“ des BMUV erscheint als nicht angemessen. Dabei sollte auf folgende Anpassungen hingewirkt werden:

1. Belastungen begrenzen und negative Effekte im Bereich Recyclingfähigkeit vermeiden

Für die Hersteller von Einwegkunststoffprodukten bedeuten Fondsbeiträge in der vom BMUV geplanten Höhe eine mitunter extreme Belastung. Die im Fonds mit 65,3 Mio. € veranschlagten Zahlungen für flexible Verpackungen werden zu einem Großteil von Herstellern von Süßwaren und anderen Lebensmitteln zu tragen sein. Bei den Herstellern von Getränkekartons beträgt die zusätzliche Belastung fast 45 Mio. € pro Jahr. Problematisch erscheint allerdings, dass die vorgesehenen Beiträge teils deutlich über den ebenfalls zu entrichtenden Lizenzgebühren liegen. In einigen Fällen wären die Beiträge sogar doppelt so hoch. Die Kosten müssten wohl zum Großteil
von den Unternehmen an die Haushalte weitergegeben werden. Vor diesem Hintergrund sollten die geplanten Einzahlungen in den Fonds verringert werden.

Auch mögliche Umwelteffekte der Kostenbelastung müssen Beachtung finden: So orientieren sich bereits viele Hersteller von Kunststoffverpackungen an der geplanten Neufassung von § 21 VerpackG. Hier ist eine stärkere Modulierung der Lizenzentgelte für gut recycelbare Verpackungen gegenüber weniger gut recycelbaren vorsehen. Der erwünschte Effekt dieses Vorhabens – hohe Investitionen in die Recyclingfähigkeit von Verpackungen – könnte durch die Litteringabgabe teils konterkariert werden, denn diese unterscheidet nicht nach Recyclingfähigkeit. Lediglich das Ausweichen auf andere Verpackungsmaterialien würde sich für die Hersteller rechnen,
wohingegen Investitionen in höhere Recyclingfähigkeit angesichts sehr hoher Litteringabgaben kaum noch einen Effekt hätten.

Substitutionseffekte hin zu nicht von der Litteringabgabe betroffenen Materialien sind nicht untersucht worden. Diese könnten jedoch dazu führen, dass zukünftig häufiger andere Materialien als Kunststoff für Einwegverpackungen genutzt werden. Das eigentliche Ziel – weniger Littering – würde somit verfehlt

2. Lückenhafte Studien nicht als Berechnungsbasis nutzen

Die EWKFondsV beruht auf dem Abschlussbericht eines UBA-Forschungsvorhaben zum Kostenmodell für den Einwegkunststofffonds. Die den Berechnungen zugrundeliegenden Daten und Studien werden zwar vorgestellt, sind aber unvollständig, zum Großenteil nicht transparent
und somit nicht nachprüfbar. Insbesondere bei den zentralen Komponenten der Berechnung der Abgabesätze, also bei den auf dem Markt bereitgestellten Mengen, den Abfallmengen bzw. Reinigungskosten ergeben sich eine Reihe von Problemen:

  • Die auf dem Markt bereitgestellten Mengen wurden in großem Umfang geschätzt und nur in Form von Bandbreiten angegeben. Sinnvoll ist es, die bereitgestellten Mengen so zu ermitteln, dass eine trennscharfe Unterscheidung zwischen allen Produktarten und eine verursachergerechte Zurechnung erfolgen kann. Hinzu kommt, dass die Aufteilung in bepfandete und unbepfandete Getränkebehälter aufgrund der erfolgten Ausweitung der Pfandpflicht (seit 2022 bzw. ab 2024) nicht den aktuellen Gegebenheiten entspricht. So ist zu erwarten, dass die nun bepfandeten Behälter seltener gelittert werden.
  • Die Abfallmengen bzw. Reinigungskosten beruhen auf einer Studie, die im Auftrag des Verbands der kommunalen Unternehmen (VKU) durchgeführt wurde und bisher nicht veröffentlicht wurde. In der Zusammenfassung fehlen Angaben zur Methodik, Angaben zu den absoluten Mengen sowie eine Aufschlüsselung nach Produkten. Die gesamte VKU-Studie, inklusive der Rohdaten, muss der Fachöffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Da der VKU Unternehmen vertritt, die Auszahlungen aus dem Einwegkunststofffonds erhalten, ist die VKU-Studie nicht unabhängig und sollte nicht als zentrale Grundlage für die Berechnung der Abgabensätze dienen. Die zusätzliche Erhebung von Daten im Rahmen des UBA-Forschungsvorhabens, v.a. zum Außerortsbereich, stellt aufgrund einer vergleichsweise kleinen Stichprobe keine ausreichende Basis für eine korrekte Hochrechnung von Reinigungskosten für das gesamte Bundesgebiet dar.

Vor diesem Hintergrund können die Studiendaten höchstens als erste Orientierungsgröße verwendet werden, nicht jedoch als Basis für die Berechnung konkreter Abgabesätze.

3. Zusätzliche Mittel zur Senkung der Abfallgebühren verwenden

Die Abgaben an einen neuen Einwegkunststofffonds stellen eine signifikante Belastung für die Inverkehrbringer von Einwegkunststoff-Produkten dar. Große Teile dieser Mehrkosten werden voraussichtlich auf die Verbraucherinnen und Verbraucher überwälzt, und das in Zeiten ohnehin stark gestiegener Lebenshaltungskosten. Dies räumt auch das BMUV im Diskussionsentwurf für die EWKFondsV grundsätzlich ein (S.2). Zudem handelt es sich um Produkte, für die es „derzeit keine leicht verfügbaren geeigneten oder nachhaltigeren Alternativen gibt“ (Abschlussbericht des UBA Forschungsvorhabens, S.2). Verbraucherinnen und Verbraucher können also schwer auf andere Produkte ausweichen und werden die Zusatzkosten tragen müssen.

Kommunen hingegen werden durch die neue Kostentragungspflicht der Hersteller entlastet, sie empfangen zusätzliche Finanzmittel aus dem Einwegkunststofffonds. Es ist jedoch fraglich, ob dies zu einer Entlastung der Verbraucherinnen und Verbraucher führen wird. Der Entwurf des EWKFondsG merkt dazu lediglich an, es „könne“ hier zu einer Entlastung kommen (S.2). Dies ist unzureichend. Wichtig ist es, die Mittelverwendung in der Rechtsverordnung zum Kostenmodell eindeutig festzulegen, etwa anteilig für Sensibilisierungsmaßnahmen, den Ausbau der öffentlichen Sammelinfrastruktur und für die Steigerung der Reinigungsqualität. Ein weiterer Anteil sollte als Überschuss verrechnet und für eine Senkung der Abfallgebühren für private Haushalte genutzt werden. Eine Pflicht zur Dokumentation muss mit diesen Vorgaben einhergehen.

4. EU-weite Koordinierung gewährleisten

Alle EU-Mitgliedstaaten sind zur Umsetzung der Einwegkunststoffrichtlinie verpflichtet. Die EUKommission hat Leitlinien zur Umsetzung der erweiterten Herstellerverantwortung angekündigt, die ein gewisses Maß an Einheitlichkeit gewährleisten sollen. Laut BMUV wurde die
Veröffentlichung der Leitlinien jedoch auf unbestimmte Zeit verschoben; eine Koordination mit anderen Mitgliedstaaten findet dem Vernehmen nach nicht statt.

Unternehmen, die in mehr als einem EU-Mitgliedstaat aktiv sind, könnten völlig unterschiedlichen Systemen und Registrierungsformen gegenüberstehen. Dies führt zu Bürokratiekosten, die durch
eine EU-weite Koordinierung vermeidbar wären. Deutschland gehört nach Angaben des BMUV zu den ersten Mitgliedstaaten, die bereits ein konkretes Kostenmodell erarbeitet haben. Daher müssen die anderen EU-Mitgliedstaaten zu einer Koordination mit dem Ziel einer möglichst
einheitlichen Umsetzung der erweiterten Herstellerverantwortung eingeladen werden.

5. Einwegkunststoffkommission paritätisch besetzen

Mit der Einwegkunststoffkommission soll den Entscheidungsträgern ein Beratungsgremium zur Seite gestellt werden. Durch die Besetzung der Kommission, geregelt in § 24 EWKFondsG, ergibt sich jedoch eine Stimmenmehrheit für die Entsorgungswirtschaft gemeinsam mit den Umwelt- und Verbraucherverbänden. Da die Einwegkunststoffkommission auch für das Prinzip der Produktverantwortung steht, ist hier zumindest ein Stimmengleichgewicht herzustellen – beispielsweise durch eine Erhöhung der Zahl der Herstellervertreter.

6. Verwaltungskosten des Einwegkunststofffonds klar begrenzen

Die Ansiedelung des Einwegkunststofffonds beim Umweltbundesamt birgt das Risiko unnötig hoher Verwaltungskosten. Mit der Zentralen Stelle Verpackungsregister (ZSVR) steht bereits eine Struktur für die Realisierung der erweiterten Herstellerverantwortung zur Verfügung, auf die ein
Fonds aufsetzen könnte. Bei Errichtung und Verwaltung des Fonds muss in jedem Fall ein besonderes Augenmerk auf schlanken Strukturen und der Nutzung vorhandener Expertise liegen.

Februar 2023

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