Aktuelles zu Verpackung und Nachhaltigkeit

Positionen zu einer Europäischen Verpackungs- und Verpackungsabfallverordnung (PPWR) – Oktober 2023

Der Entwurf für eine europäische Verpackungs- und Verpackungsabfallverordnung (PPWR) wird derzeit in Rat und EU-Parlament diskutiert und bearbeitet. Die AGVU empfiehlt folgende Festlegungen:


Design for Recycling: Stakeholderbeteiligung durch „Packaging Forum“ oder CEN-Normierung


Einheitliche Designanforderungen sind entscheidend für eine höhere Recyclingfähigkeit von Verpackungen. Bei der Entwicklung der Designkriterien ist die Gewährleistung einer echten Mitsprache der Stakeholder notwendig, denn mit einem partizipativen Ansatz lassen sich durch die vielfältige Expertise ehrgeizige und realistische Anforderungen entwickeln und kontinuierlich an den technischen Fortschritt anpassen. Die Einbindung der Stakeholder kann durch die kontinuierliche Beteiligung von Wirtschafts- und Wissenschaftsvertretern an der Entwicklung der delegierten Rechtsakte erfolgen. Eine solche institutionalisierte Mitarbeit hatte die EU-Kommission bereits mit dem Vorschlag eines „Packaging Forum“ angedacht. Alternativ bietet sich die Mandatierung und zeitnahe Entwicklung von CEN-Normierungen für alle Verpackungsmaterialien an.


Recyclingkapazitäten als Kriterium der Recyclingfähigkeit einer Verpackung


Die Einstufung der Recyclingfähigkeit einer Verpackung soll ab 2035 auch davon abhängen, ob EU-weit genügend Recyclingkapazitäten „in großem Maßstab“ für das jeweilige Format zur Verfügung stehen. Hersteller haben jedoch nur begrenzten Einfluss auf die Recyclinginfrastruktur. Schwankungen, die durch den Ausfall einzelner Recyclinganlagen verursacht werden, dürfen daher nicht automatisch zu einem Vermarktungsverbot der betroffenen Verpackung führen. Stattdessen sollte ein Durchschnittswert der vorhandenen Recyclingkapazität über mehrere Jahre in Betracht gezogen werden, um die Anforderungen zu erfüllen.


Als Berechnungsgrundlage sollte die in-Verkehr-gebrachte Menge oder die pro Verpackungsformat entstandene Abfallmenge herangezogen werden. Die Bevölkerung als Maßstab für die Schwelle heranzuziehen, ist problematisch, da längst nicht alle Verpackungsformate von der gesamten Bevölkerung genutzt werden.


Diskutiert wird aktuell eine geografische Einschränkung, d.h. die Betrachtung der Recyclinginfrastruktur in einem oder mehreren EU-Mitgliedstaaten. Dies würde jedoch Markteintrittsbarrieren schaffen und den EU-Binnenmarkt gefährden. Zudem stünde eine derartige Einschränkung im Widerspruch zu den Marktgegebenheiten: Sortier- und Recyclingkapazitäten werden grenzüberschreitend genutzt und lassen sich keinem Mitgliedstaat exklusiv zuordnen.


Rezyklateinsatz – berechnet auf Basis der Produktionsmenge pro Jahr


Die Kommission hatte vorgeschlagen, den Rezyklatanteil für den Kunststoffanteil jeder einzelnen Verpackung festzulegen. Deutlich praktikabler wäre es jedoch, die Berechnung am Durchschnitt der Gesamtmenge der Produkte eines Herstellers, die sich im Anwendungsbereich einer der Quoten nach Art. 7 befinden, auszurichten. Dieses Verfahren würde zudem der Umsetzung der europäischen Einwegkunststoffrichtlinie in Deutschland entsprechen. Der Berechnungszeitraum sollte ein Jahr betragen.

Eine Berechnung pro Produktionsanlage, wie sie aktuell in Rat und Europaparlament diskutiert wird, würde hingegen zu mehr Bürokratie führen, ohne jedoch die Nachfrage nach recycelten Materialien nachhaltig zu steigern. Dezentral produzierende Hersteller würden benachteiligt.


Verpackungsminimierung mit weniger Bürokratie erreichen


Hersteller sollen verpflichtet werden, die Übereinstimmung mit den Verpackungsminimierungsvorgaben nach Art. 9 PPWR nachzuweisen. Der Aufwand, rechtssicher zu dokumentieren, dass eine Verpackung nicht kleiner oder leichter sein kann, als sie tatsächlich ist, erscheint gerade für kleine und mittlere Unternehmen unverhältnismäßig. Anstelle einer standardmäßigen Dokumentation der Verpackungsminimierung könnten die zuständigen Behörden befugt werden, stichprobenartig oder bei begründeten Zweifeln Nachweise bei Unternehmen anzufordern.


Auf Verpackungsverbote verzichten


Verbote von bestimmten Verpackungsformaten sind eingriffsintensive Maßnahmen und betreffen auch Verbraucherinnen und Verbraucher. Für ihre Rechtfertigung müssen anspruchsvolle Anforderungen gelten. Die Auswahl- und Beurteilungskriterien der zu verbietenden Verpackungen im PPWR-Entwurf sind hingegen intransparent. Eine wissenschaftlich belegbare Bezugnahme zu ökologischen Vorteilen, die aus den Verboten erwachsen, erfolgt nicht. Vielmehr könnten insbesondere bei frischem Obst und Gemüse Verpackungsverbote negative Auswirkungen auf die Lebensmittelverschwendung, die Umweltbilanz und auch den Produktpreis haben. Vor diesem Hintergrund sollten Verpackungsverbote gänzlich aus dem Verordnungstext gestrichen werden. Die Ressourcenminimierung bei Verpackungen kann effizient und gleichzeitig effektiv über ökonomische Anreizinstrumente erreicht werden.


Wiederverwendbarkeit – Methodik für LCA schaffen


Sowohl Mehrweg- als auch Einwegsysteme haben ihre Berechtigung und sind nach den Umständen sowie den zu erreichenden Umweltzielen zu bewerten. Gut konzipierte Wiederverwendungssysteme können in bestimmten Bereichen einen wichtigen Beitrag zu Ressourcen- und Materialeinsparungen leisten. Gleichzeitig haben auch Pfand- und Recyclingsysteme für Einwegverpackungen in bestimmten Bereichen ökologische Vorteile. Die PPWR sollte daher grundsätzliche Offenheit für beide Systeme widerspiegeln. Die Wahl zwischen Einweg und Mehrweg sollte auf Basis geeigneter ökologischer Bewertungen, beispielsweise LCA (Life Cycle Assessment) oder PEF (Product Environmental Footprint), getroffen werden. So sieht die Abfallrahmenrichtlinie (Art. 4) bereits vor, dass Abweichungen von der Abfallhierarchie durch Lebenszyklusdenken gerechtfertigt sein können. Dies sollte entsprechend auch in der PPWR gelten. Die PPWR muss den Pfad für die Entwicklung einer entsprechenden Methodik vorgeben und mit bestehenden Normen konsistent sein.


Kein Mehrwegzwang für Transportverpackungen


Die vorgeschlagenen Mehrwegziele für Transportverpackungen sind faktisch kaum erreichbar und aus Umweltperspektive nicht überzeugend. So soll eine Quote von 100 % bereits ein Jahr nach Inkrafttreten der Verordnung erreicht werden (Art. 26, Abs. 12). Auch die aktuell diskutierte Verschiebung um mehrere Jahre würde enorme Umstellungen der Unternehmensprozesse bei sehr hohem Kostenaufwand auslösen. Vor allem würde die seit Langem erfolgreich etablierte Kreislaufführung der meisten Transportverpackungen über Bord geworfen: Transportverpackungen werden in der Industrie als wertvolle Rohstoffe betrachtet, die flächendeckend recycelt und wiederverwendet werden. Eine Umstellung auf Mehrweg würde darüber hinaus ein Register erfordern und Bürokratie und Verwaltungsaufwand nach sich ziehen.


Die Abgrenzung von grenzüberschreitenden Transporten und solchen innerhalb eines Mitgliedstaats kann kein Kriterium für die Pflicht zur Nutzung von Mehrwegsystemen sein. Sie stünde im Widerspruch zu den Prinzipien des EU-Binnenmarkts und würde Unternehmen benachteiligen, die in größeren Mitgliedstaaten ansässig sind.


Spezifische Anforderungen an Transportverpackungen im industriellen bzw. großgewerblichen Bereich müssen zwingend beachtet werden. Insbesondere im Bereich Gefahrgüter ist eine 1:1-Übertragung der auf Konsumgüter ausgerichteten Regelungen der PPWR nicht umsetzbar. Darüber hinaus sollte auf die Aufzählung von „beispielhaften Transportverpackungen“ verzichtet werden: Einige der genannten Verpackungen können nicht als Transportverpackungen eingestuft werden, da sie direkten Kontakt zum Füllgut haben, u.a. Kübel, Fässer und Kanister.


Unverpackt-Stationen in Verantwortung des Einzelhandels


Der Umweltausschuss im Europaparlament erwägt, große Einzelhändler zum Angebot unverpackter Produkte auf 20 % der Verkaufsfläche zu verpflichten. Selbstverständlich können Nachfüllstationen ein sinnvoller Bestandteil von Mehrwegsystemen sein, sie müssen aber auf die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden abgestimmt sein. Nur eine beschränkte Anzahl von Produkten ist jedoch für eine unverpackte Abgabe geeignet. Es bestehen darüber hinaus ungelöste Herausforderungen in Bezug auf Kennzeichnung, Hygiene und Verbrauchersicherheit. Ein flexiblerer Ansatz, der es Einzelhändlern freistellt, in welchem Maße sie Nachfüllstationen einführen, ist daher vorzuziehen.


Lizenzentgeltmodulierung im Einklang mit den Organisationsformen der Produktverantwortung in den Mitgliedstaaten


Mit der PPWR wird die Modulierung der Verpackungslizenzentgelte nach ökologischen Kriterien zur Pflicht. Ein europaweit einheitliches Merkmal sollte dabei der Grad der Recyclingfähigkeit einer Verpackung sein. Der Rezyklateinsatz wird hingegen bereits durch die verpflichtenden Quoten sichergestellt und sollte kein weiteres Kriterium sein.


Der Rechtsrahmen der PPWR wird auch Basis für die angestrebte Weiterentwicklung von § 21 Verpackungsgesetz bilden, der die Modulierung der Lizenzentgelte in Deutschland regelt. Ein z.Zt. diskutierter Finanzfonds, der aus Lizenzentgeltaufschlägen nach ökologischen Kriterien gespeist wird, sollte in einer privatrechtlichen Organisationsform errichtet werden. Dies steht im Einklang mit der Idee der Produktverantwortung und kann durch Beauftragung der dualen Systeme für den Einzug der Lizenzentgeltaufschläge effizient umgesetzt werden.

Ein PDF des Positionspapiers finden Sie hier.

Weitere Artikel