Leitgedanke der Überarbeitung der europäischen Richtlinie über Verpackungen und Verpackungsabfälle PPWD (94/62/EG) ist die Ausrichtung auf das Konzept der Kreislaufwirtschaft. Dies schließt die
dort verankerten „Essential Requirements for Packaging and Packaging Waste“ ein, denen als bindende Vorgaben zur Verpackungsgestaltung eine zentrale Orientierungsfunktion für die gesamte Wertschöpfungskette Verpackung zukommt. Jedoch sind die Eigenschaften und die Beschaffenheit einer Verpackung zugleich stets im Zusammenhang mit dem verpackten Produkt zu sehen: Jedes Produkt braucht weiterhin eine für sein Anforderungsprofil optimale Verpackung. Diesem Gedanken müssen die Kernkriterien für Verpackungen auch zukünftig Rechnung tragen.
Die AGVU empfiehlt folgende Gestaltungen der einzelnen Regelungsbereiche:
1. Verpackungsvermeidung
Die Verpackungsrichtlinie definiert Kriterien zur Verpackungsgestaltung, mit deren Hilfe eine über ein Mindestmaß hinausgehende Verpackungsgestaltung gerechtfertigt werden kann. Am Kriterium der
„Verbraucherakzeptanz“ ist in jedem Fall festzuhalten, denn Verbraucherakzeptanz ist wichtig, um die Kreislaufwirtschaft zu beschleunigen. Produkte im Premiumsegment sollten auch in Zukunft ein wertiges Produkterlebnis durch eine aufwändigere Verpackung gewährleisten dürfen. Ein weiteres Kriterium zur Rechtfertigung einer aufwändigeren Verpackung sollte die „Produktanwendung“ sein. Es
trägt der Tatsache Rechnung, dass bestimmte Produkte nur mittels einer die Verwendung unterstützenden Verpackung benutzt werden können.
Eine zu einseitige Fokussierung auf die Verpackungsreduktion kann Zielkonflikte auslösen: So könnten im Zuge von starren Vermeidungszielen verstärkt Materialien mit geringerer Recyclingfähigkeit eingesetzt und der Einsatz wiederverwendbarer Verpackungen und nachwachsender Rohstoffe gehemmt werden. Abfüller und Verpackungshersteller benötigen daher transparente Regeln zur Priorisierung der verpackungspolitischen Zielsetzungen als Basis ihrer Investitionsentscheidungen. Das Prinzip der Materialneutralität ist dafür eine wichtige Bedingung. Zum Entgegenwirken eines übermäßigen Verpackungseinsatzes stehen im Übrigen bereits heute wirkungsvolle Instrumente zur Verfügung. Dazu zählen strafbesetzte Normen zur Ahndung von sog. „Mogelpackungen“ oder Verbrauchertäuschungen.
2. Wiederverwendbarkeit
Gut konzipierte Wiederverwendungssysteme können zu Ressourcen- und Materialeinsparungen beitragen. Mehrwegverpackungen müssen jedoch recycelbar sein und zudem auch effektiv recycelt werden. Anreize oder Verpflichtungen zur Nutzung von Wiederverwendungssystemen sind nur für jene Fälle sinnvoll, in denen Produktsicherheit und Hygiene nicht beeinträchtigt und gleichzeitig umweltbezogene Vorteile gegenüber anderen Verpackungsformen nachgewiesen werden. Dafür ist eine fundierte wissenschaftliche Bewertung aus einer ganzheitlichen Lebenszyklusperspektive unter Berücksichtigung ökologischer, sozialer und wirtschaftlicher Faktoren notwendig.
3. Recyclingfähigkeit
Definition “Recyclingfähigkeit”
Bei der Erarbeitung einer einheitlichen europäischen Definition zur Recyclingfähigkeit ist auf die derzeit verfügbaren Recyclingtechnologien, inklusive mechanisches, chemisches oder organisches Recycling, abzustellen. Dabei kann auf den deutschen „Mindeststandard zur Bemessung der Recyclingfähigkeit von Verpackungen“ zurückgegriffen werden, der derzeit zu einer verbindlichen und einheitlichen
Bemessungsgrundlage weiterentwickelt wird.
Vorgabe einer Mindestschwelle für das tatsächliche Recycling
Als Kriterium für die Recyclingfähigkeit einer Verpackung wird eine Schwelle für die „Recycling Rate“ erwogen, d.h. ein Mindestmaß, zu dem die einzelnen Verpackungskomponenten EU-weit recycelt werden. Die Feststellung der tatsächlichen Recyclingleistung könnte dazu beitragen, ein genaues Bild des Recyclings in der EU zu ermitteln und einen systematischen Kapazitätsausbau zu ermöglichen. Jedoch ist bereits die Ermittlung der Recyclingergebnisse – differenziert in einzelne Verpackungskomponenten – technisch hochkomplex. Zudem erschwert die heterogene Recyclinginfrastruktur in den EU-Mitgliedstaaten die Vergleichbarkeit. Vor der Einführung eines solchen Kriteriums „Recycling Rate“ muss daher ein realistischer Fahrplan zur Ermittlung belastbarer Daten aus allen Mitgliedsstaaten vorliegen.
Vorgaben für das Design-for-Recycling
Recyclinggerechtes Verpackungsdesign ist eine wichtige Voraussetzung für ein hochwertiges Recycling. Designrichtlinien für Verpackungen sollten daher EU-weit harmonisiert und zu einer verbindlichen Vorgabe im Rahmen der Essential Requirements werden. Sie müssen regelmäßig überprüft und an die sich fortentwickelnde Recyclinginfrastruktur angepasst werden. Verwiesen sei auf das Prozedere zur
Fortentwicklung des deutschen „Mindeststandard für die Bemessung der Recyclingfähigkeit von Verpackungen“, in das die Vertreter der gesamten Wertschöpfungskette Verpackung dauerhaft eingebunden sind.
Zielwerte zur Recyclingfähigkeit
Ehrgeizige Zielangaben zur faktischen Recyclingfähigkeit einer jeden Verpackung können nur durch Materialinnovationen und hohe Investitionen in Recycling-Technologien und -Kapazitäten erreicht
werden. Für diese Investitionen sind verlässliche Rahmenbedingungen und Förderungen notwendig.
Zielkonflikte im Spannungsfeld von Recyclingfähigkeit, Ressourcenverbrauch und Materialreduzierung müssen bedacht und praxisgerecht geregelt werden. So darf das rechnerische Erreichen von hohen Recyclingfähigkeitswerten einer Verpackung nicht durch die übermäßige Volumenerhöhung der recyclingfähigen Bestandteile im Verhältnis zu nicht-recyclingfähigen Bestandteilen erkauft werden.
Mögliche Verbote von Verpackungsmaterialien
Komponenten, die Recyclingprozesse behindern, sollen möglicherweise für unzulässig erklärt werden, erwogen wird die Erarbeitung einer Negativliste für Verpackungsmaterialien. Falls ein solcher Weg beschritten wird, muss das die Listen erstellende technische Gremium fortlaufend neue Entwicklungen verfolgen und diese in den Listen abbilden. Dazu gehörten etwa Fortschritte im Recycling und Innovation bei den Verpackungskomponenten. Vertreter der Wertschöpfungskette Verpackung sind dabei dauerhaft in diese Arbeit einzubinden.
Fee-Modulation
Im Zentrum der Modulierung der Beteiligungsentgelte von EPR-Systemen müssen verbindliche Leitlinien für das Design-for-Recycling bei Verpackungen stehen. Auf dieser Basis kann die Verbesserung der Recyclingfähigkeit und ggf. auch der Rezyklatanteil einer Verpackung über ökonomische Instrumente, d.h. über die Berechnung eines Entgelt-Bonus bzw. Malus, angereizt werden. Dafür notwendig ist ein europaweit einheitlicher, transparenter Rahmen von Berechnungskriterien bzw. vorgegebene Zuschläge, der eine Fee-Modulation auch in Wettbewerbssystemen ermöglicht.
4. Kunststoff-Rezyklat-Einsatz
Definition zu Rezyklaten
Die Definition von Rezyklaten sollte auf Sekundärrohstoffe abstellen, die aus dem Recycling von Abfällen gewonnen werden. Nur Abfälle nach Gebrauch (post-consumer waste) sollten zulässig sein.
Nicht enthalten ist „die Wiederverwendung von Materialien aus Nachbearbeitung, Nachschliff oder Schrott, die im Verlauf eines technischen Verfahrens entstehen und im selben Prozess wiederverwen-
det werden können.“ Die Herkunft des Materials muss dafür nachvollziehbar sein.
Ziele zum Kunststoff-Rezyklateinsatz
Konkrete Vorgaben zu Rezyklatanteilen sind nur im Rahmen einer produktspezifischen Regulierung zielführend. Ansätze für entsprechende Verpflichtungen müssen zuvor in einem Impact Assessment der Verpackungsrichtlinie (PPWD) eingehend analysiert werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Rezyklatmärkte für verschiedene Materialien und Produktgruppen kaum miteinander vergleichbar sind und sich die Verfügbarkeit von qualitativ hochwertigen Rezyklaten stark unterscheidet.
Vor Festlegung von Verpflichtungen zum Rezyklateinsatz sollten zunächst marktbasierte Maßnahmen geprüft werden. Hier kommen eine Harmonisierung der Anforderungen der Erweiterten Herstellerver-
antwortung (EPR), steuerliche Anreize oder CO 2-Gutschriften für den Einsatz von Rezyklaten in Betracht. Um Produktqualität und Verbraucherschutz zu garantieren, sollte zudem ein System der Rück-
verfolgbarkeit für Kunststoff-Rezyklate eingeführt werden.
Notwendig ist eine bessere Abstimmung mit den Vorgaben aus der Verordnung zu Kunststoffrecyclingmateralien im Kontakt mit Lebensmitteln. Eine novellierte Fassung soll in Kürze die bisherigen Verordnung Nr. 282/2008 ablösen. Im Entwurf (Stand Dez. 2021) werden Kunststoff-Rezyklate generell als potenziell gesundheitsgefährdende Materialien eingeordnet. Diese Sichtweise hemmt das Ziel von mehr Kreislaufwirtschaft erheblich. Das Beispiel von recyceltem PET (rPET), das aus dem heutigen Getränkepfandsystem entstammt und seit vielen Jahren nachweislich ohne Gesundheitsgefährdung in Getränkeflaschen eingesetzt wird, zeigt, dass ein solche Generalisierung nicht überzeugend ist. Der Ansatz zur Zulassung moderner Recyclingmethoden im Verordnungsentwurf muss insgesamt deutlich pragmatischer gestaltet werden und darauf ausgerichtet sein, deutlich mehr Kunststoff-Rezyklate-Einsatz in Lebensmittelkontaktmaterialien zu ermöglichen. Dafür sind auch Materialquellen wie die Verpackungssammlung in Haushalten zu erschließen.
Kennzeichnung
Die Kennzeichnung von Verpackungen als „recyclingfähig“ oder „wiederverwendbar“ sollte europaweit einheitlich erfolgen. Ein Label zur Recyclingfähigkeit muss sich dabei auf verbindliche Design-for-
Recycling-Leitlinien beziehen, für Verbraucherinnen und Verbraucher nachvollziehbar sein und könnten durch Prozentangaben präzisiert werden.
Auch mit Blick auf Hinweise zum richtigen Getrenntsammeln von Verpackungen in Haushalten ist ebenfalls eine europaweit einheitliche Systematik anzustreben. Binnenmarkthemmnisse durch Alleingänge einzelner Mitgliedsstaaten müssen überwunden werden und Klarheit für Bürgerinnen und Bürger in Europa bei der richtigen Trennung von Abfällen geschaffen werden. Herstellern sollte es möglich sein, mit einer einzigen Verpackung den gesamten europäischen Markt zu bedienen und unverkaufte Bestände zu vermeiden.
Die komplette Stellungnahme steht Ihnen hier zum Download zur Verfügung.