Dem Gesetzentwurf zur Umsetzung von Vorgaben der Einwegkunststoffrichtlinie und der Abfallrahmenrichtlinie gelingt es grundsätzlich, europarechtliche Vorgaben sachgerecht umzusetzen und damit zu einer Stärkung der Kreislaufwirtschaft in Deutschland beizutragen. Bei einigen Regelungsvorschlägen sieht die AGVU den Bedarf zur Anpassung bzw. zu besonderer Aufmerksamkeit seitens des Gesetzgebers:
Zu § 14 Abs. 3 Satz 5 VerpackG-E: Veröffentlichung der von beteiligten Herstellern geleisteten Entgelte
Duale Systeme sollen nach § 14 Abs. 3 Satz 5 Nr. 1 bis 3 Informationen über die von den beteiligten Herstellern geleisteten Entgelte je in Verkehr gebrachter systembeteiligungspflichtiger Verpackung oder je Masseeinheit an systembeteiligungspflichtigen Verpackungen veröffentlichen. Dies erscheint mit dem Wettbewerbsrecht unvereinbar. Eine Umsetzung dieser EU-rechtlichen Anforderung nach Abfallrahmenrichtlinie § 8 a bedarf für das wettbewerbsbasierte System in Deutschland einer Konkretisierung. Erst nach Abstimmung mit dem Bundeskartellamt sollte der Gesetzgeber vorgeben, was die dualen Systeme offenlegen sollen und dürfen.
Zu § 15 Abs. 3 Satz 3 VerpackG-E: Nachweis über die Erfüllung der Rücknahme und Verwertungsanforderung
Hersteller oder Vertreiber von Transportverpackungen und Mehrwegverpackungen sollen nach § 15 Abs. 3 VerpackG-E verpflichtet werden, einen Nachweis bzgl. der Erfüllung von Rücknahme- und Verwertungsanforderungen zu führen. In der Praxis ist eine Nachweispflicht im Sinne einer Aufschlüsselung der Transportverpackungshersteller aufgrund der sehr komplexen Lieferketten-Struktur jedoch nicht durchführbar.
Mit Blick auf die Mehrweg-Transportverpackungen ist die Rücknahme entlang der gesamten Lieferkette bereits gelebte Praxis: In offenen Pools von Mehrweg-Transportverpackungen werden Mehrwegverpackungen von diversen Herstellern in Umlauf gebracht und von einer Vielzahl an Unternehmen aus unterschiedlichsten Branchen genutzt. Eine Dokumentation entlang der Lieferkette über die in Verkehr gebrachten sowie zurückgenommenen Verpackungen nach Materialart und Masse ist für diese Mehrweg-Pools jedoch nicht umsetzbar, da eine zentrale Organisation zur Erhebung entsprechender Daten fehlt. Auf eine Aufnahme der Regelung in das VerpackG sollte verzichtet werden.
Zu § 18 und § 20 VerpackG-E: Nachweis der Systeme über ihre finanzielle Leistungsfähigkeit
Mit den Anforderungen an den Nachweis der finanziellen Leistungsfähigkeit der dualen Systeme in § 18 Abs. 1a und in § 20 Abs. 5 und 6 kommt das BMU der Umsetzungsverpflichtung von europäischen Vorgaben nach. Hier erscheint die Überprüfung dieser Anforderungen durch die Zentrale Stelle jedoch als nicht geeignet. Eine Verpflichtung der dualen Systeme, eine geeignete, ggfs. von einem Wirtschaftsprüfer testierte Bescheinigung bei der Zentralen Stelle oder im Rahmen des Zulassungsprozesses bei der zuständigen Landesbehörde vorzulegen, ist ausreichend.
Zu § 30a VerpackG-E: Mindestrezyklatanteil in PET-Einweggetränkeflaschen
Mit Blick auf die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestanteile für recyceltes PET (R-PET) in Getränkeflaschen ist fortlaufend auf einen uneingeschränkt funktionierenden Markt für dieses Material zu achten und dies ggf. durch einen geeigneten rechtlichen Rahmen sicherzustellen. Es muss der zum Einsatz von R-PET verpflichteten Branche, d.h. allen in der Branche tätigen Marktteilnehmern, möglich sein, dieses Material in ausreichendem Umfang und in ausreichender Qualität zu nachvollziehbaren Preisen beziehen zu können.
Zu § 31 Ausweitung der Pfandpflicht auf alle Einweg-Getränkeflaschen aus Kunststoff sowie auf alle Getränkedosen
Zur Umsetzung der EU-Einwegkunststoffrichtlinie ist eine Ausweitung der Pfandpflicht nicht erforderlich. Mit einer Sammelquote bei Einwegkunststoffflaschen von über 90% werden die ab 2029 geltenden EU-Vorgaben bereits heute deutlich überschritten.
Sofern eine Ausweitung der Pfandpflicht dennoch wie geplant zum 1.1.2022 umgesetzt werden soll, ist sicherzustellen, dass das hinzukommende Material die gegenwärtig hohe Qualität des R-PETs im Pfandsystem nicht negativ beeinträchtigt. Saftflaschen benötigen z.B. derzeit noch Additive, die das gegenwärtige PET-Recycling stören können. Eine Regelung, die den Einsatz entsprechender Additive in Getränkeflaschen aus Kunststoff reglementiert, sollte in Erwägung gezogen werden.
Eine Erweiterung der Pfandpflicht auf alle Einwegkunststoffflaschen hätte Auswirkungen auf den verbleibenden Verpackungsmix aus der haushaltsnahen Getrenntsammlung. Er entzieht den Systembetreibern einen wertvollen Materialteilstrom, der zur Erfüllung der Quotenanforderungen beiträgt. Sollte die Pfandpflicht – wie vom BMU vorgeschlagen – erweitert werden, ist die zum 1.1.2022 vorgesehene Erhöhung der Verwertungsquoten gem. § 16 (2) auf einen Zeitpunkt nach der Evaluierung der auf das Jahr 2022 bezogenen Quotenerfüllung zu verschieben.
Zu § 33 Abs. 1 Satz 1 VerpackG-E: Pflicht zum zusätzlichen Angebot von Mehrweg-Verpackungen
Die vorgeschlagene Regelung sieht vor, dass Mehrweg-Verpackungen als Alternative zu Einwegkunststoffverpackungen (in Gestalt von Behältnissen für Lebensmitteln, die dazu bestimmt sind, unmittelbar vor Ort verzehrt oder zum Verzehr mitgenommen zu werden, in der Regel aus der Verpackung heraus verzehrt werden und ohne weitere Zubereitung wie Kochen, Sieden oder Erhitzen verzehrt werden können) durch den Letztvertreiber angeboten werden müssen. Adressiert ist auch der reguläre Einzelhandel, d.h. der örtliche Supermarkt. Damit schießt die Regelung weit über das Ziel hinaus, das darin besteht, den Konsum von Getränken oder Speisen vor Ort auch in Mehrwegverpackungen zu ermöglichen.
Das Anbieten einer Mehrwegalternative für alle Verpackungen von Lebensmitteln, die zum sofortigen Verzehr geeignet sind, ist für den Einzelhandel und für den Konsumenten nicht zumutbar. Es wird nicht möglich sein, bereits verpackt bezogene Lebensmittel, z.B. Salatschalen oder Sushiboxen, die etwa für den schnellen Lunch im Büro gekauft werden, in einer Mehrweglösung oder einer Verpackung ohne Kunststoff anzubieten; diese Angebote werden voraussichtlich verschwinden. Eine Wohlstandseinbuße beim Verbraucher wäre die Folge, die vom Gesetzgeber nicht gewünscht sein kann.
Daher sollten nur Produkte, die erst beim Letztvertreiber verfüllt werden, von der Regelung erfasst werden. Die Regelung in § 33 Abs. 1 Satz 1 sollte daher wie folgt ergänzt werden:
„Letztvertreiber von Einwegkunststofflebensmittelverpackungen und von Einweggetränkebechern, die erst beim Letztvertreiber befüllt werden, sind ab dem 1. Januar 2022 verpflichtet, die in diesen Einwegverpackungen angebotenen Waren am Ort des Inverkehrbringens jeweils auch in Mehrwegverpackungen zum Verkauf anzubieten.“
Zu § 35 Abs. 1 VerpackG-E: Beauftragung Dritter
Bei der in § 35 Abs. 1 geregelten Beauftragung Dritter soll ein zuvor vom deutschen Gesetzgeber beschrittener Weg aufgegeben werden: Hersteller müssen die Kernpflichten nach dem Verpackungsgesetz selbst wahrnehmen und können diese nicht übertragen. Dazu gehört nach § 10 auch die Abgabe von Datenmeldungen. Der Ansatz der Nicht-Übertragbarkeit hat in der Vergangenheit maßgeblich dazu beigetragen, die Melde- und Datensicherheit und damit die Systemstabilität deutlich zu verbessern. Im Interesse der ehrlichen Inverkehrbringer und der Stabilität der Systeme sollte am Prinzip der Nicht-Übertragbarkeit der Datenmeldung an Dritte festgehalten werden.
Berlin, 3. Dezember 2020
Das PDF-Dokument der Stellungnahme steht hier zum Download zur Verfügung.